Digitale Transformation: „Skoobe ist wie der beste Freund, der ein gutes Buch empfiehlt“

München, 19.08.2013
Das Skoobe-Team in München
Das Skoobe-Team in München

Wie sieht die Zukunft des Lesens im digitalen Zeitalter aus? Diese Frage beschäftigt die Buchbranche seit mehr als einem Jahrzehnt – und sie hat bereits viele Antworten darauf gefunden. Die digitale Transformation der Branche ist weltweit in vollem Gange. Die Frage nach der Zukunft des Lesens stellte sich 2010 auch die Verlagsgruppe Random House und entwickelte gemeinsam mit Arvato und der Verlagsgruppe Holtzbrinck das Joint Venture Skoobe. Für Frank Sambeth, CEO der Verlagsgruppe Random House, war das Ziel klar: „Wir wollten aktiv und frühzeitig neue Geschäftsmodelle für das Buch entwickeln und gleichzeitig über digitales und mobiles Lesen lernen.“ Der Ansatz von Christian Damke und Henning Peters, den beiden Geschäftsführern von Skoobe, unterscheidet sich dabei grundlegend von anderen digitalen Geschäftsmodellen. Sie fragten nämlich nicht danach, mit welchen Strategien und Techniken Verlage erfolgreich E-Books verkaufen können. Sie stellten stattdessen die offensichtlichen Vorteile des neuen Mediums in den Mittelpunkt: die permanente Verfügbarkeit von Büchern auf mobilen Endgeräten – und das überall. Heraus kam die Idee, E-Books nicht zu verkaufen, sondern in Form eines kostenpflichtigen Abonnements anzubieten. Welche Entwicklung die Online-E-Book-Bibliothek Skoobe, was übrigens schlicht für „Ebooks“ rückwärts gelesen steht, genommen hat, und wo das Unternehmen heute steht, darüber sprach das BENET im Rahmen der Reihe „Digital Transformation@Bertelsmann“ mit den beiden Geschäftsführern am Münchner Firmensitz. 

Rund 20.000 Titel im Angebot 

Christian Damke, einer der beiden Geschäftsführer von Skoobe
Christian Damke, einer der beiden Geschäftsführer von Skoobe
„Wir wollten ein Geschäft entwickeln, das die Vorteile einer herkömmlichen Bibliothek mit den neuen Möglichkeiten der digitalen Welt kombiniert“, erinnert sich Christian Damke an die ersten Überlegungen, die dann 2010 zur Gründung von Skoobe führten. „Gleichzeitig wollten wir es den Lesern so einfach wie möglich machen, neue Bücher zu entdecken.“ Daraus entwickelten die beiden das Skoobe-Konzept, ein sogenanntes „Freemium“-Modell, also eine Mischung aus kostenlosen und kostenpflichtigen Angeboten. Kostenlos sind bei Skoobe die digitalen Leseproben, die etwa zehn Prozent des Buches umfassen und mit denen Skoobe-Kunden in jedes einzelne Buch der Online-Bibliothek hineinlesen können. Und das sind nicht wenige: Bereits nach nur einem Jahr fanden sich im Skoobe- Angebot rund 20.000 Titel. „Als Plattform für das Entdecken neuer Bücher und Autoren ist Skoobe in Deutschland einmalig. Nirgends sonst sind so viele Leseproben verlagsübergreifend an einem Ort versammelt und so einfach zu nutzen“, meint Technikchef Henning Peters. Vom Anklicken eines Titels durch den Nutzer bis zum Anzeigen der ersten Seite würden heute im Schnitt nur noch 1,7 Sekunden vergehen: „Das kann keiner schneller als wir.“ 

Komfortabel und günstig: Skoobe-Nutzer geben mehr Geld für Bücher aus und lesen mehr als zuvor.
Komfortabel und günstig: Skoobe-Nutzer geben mehr Geld für Bücher aus und lesen mehr als zuvor.
Sind die Nutzer durch die kostenlose Leseprobe neugierig geworden und möchten wissen, wie es weitergeht, können sie Skoobe-Kunden werden. Gegen eine Gebühr von 9,99 Euro im Monat im günstigsten Tarif erhalten sie dann Zugang zum kompletten Angebot der E-Book-Bibliothek. Das einmalige,  kostenpflichtige Ausleihen einzelner Bücher ist dagegen nicht möglich; es widerspräche wohl auch der Grundidee, Leser zum Schmökern in möglichst vielen Titeln zu ermuntern. Ihre ausgewählten Titel können sich die Skoobe-Nutzer dann direkt per Streaming zum Lesen auf ihrem mobilen Endgerät anzeigen lassen. Sie können auch bis zu fünf Titel gleichzeitig auf ihrem Gerät – Smartphone oder Tablet-PC – speichern und beim Lesen nahtlos zwischen diesen Geräten hin- und herwechseln. Im Premium-Tarif bleiben ausgeliehene E-Books 30 Tage lang offline auf den Geräten verfügbar. 

Entdecken lassen sich Bücher bei Skoobe zum einen durch das direkte Stöbern in der nach Genres geordneten Bibliothek oder den wöchentlichen Neuerscheinungen, rund 100 an der Zahl. Zum anderen zeigt die App auch die Titel an, die gerade von anderen Nutzern ausgeliehen, bewertet oder kommentiert wurden. Dazu kommen noch die insgesamt beliebtesten Titel in verschiedenen Kategorien, also eigene Skoobe-Bestsellerlisten. Besonders beliebt bei den Abonnenten, so Damke, seien die Genres Krimi, Thriller, Science-Fiction, Romantik und auch Erotik. Und so finden sich in den Skoobe-Listen natürlich belletristische Bestseller wie die „Shades of Grey“-Trilogie von E. L. James, „Das Dorf der Mörder“ von Elisabeth Herrmann sowie Sachbuch-Bestseller wie „Steve Jobs“ von Walter Isaacson. Die unterschiedlichen Möglichkeiten, Bücher zu entdecken, führen dazu, dass auch ältere Titel aus den Backkatalogen der Verlage in der Gunst der Skoobe-Nutzer ganz oben stehen können. Für die Verlage ein überaus positiver Effekt. „Wir wollen die Tiefe der Verlagskataloge zeigen und arbeiten deshalb viel mit den Empfehlungen der Nutzer“, betont Damke. „Skoobe übernimmt die Rolle des besten Freundes, der ein gutes Buch empfiehlt.“ Und das kann dann auch mal ein Klassiker wie „Geständnisse eines Küchenchefs“ von Anthony Bourdain oder ein heimlicher Bestseller wie „Die Rechnung, bitte! – Bekenntnisse eines Kellners“ (2010) von Herr Ober und Susanne Schädlich sein. 

Skoobe-Geschäftsführer Henning Peters (l.) und Christian Damke.
Skoobe-Geschäftsführer Henning Peters (l.) und Christian Damke.
Großes Interesse der Verlage 

Christian Damke gehörte schon vor der Gründung von Skoobe zu den Experten, die sich täglich mit den Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation für die Buchbranche beschäftigt haben. Damke arbeitete seit 2006 in der Unternehmensentwicklung der Verlagsgruppe Random House, nachdem er über das Bertelsmann Entrepreneurs Programm (BEP) zunächst Stationen bei der Arvato und beim kanadischen Buchclub Doubleday absolviert hatte. Viele der Erfahrungen, die er dort gesammelt habe, so Damke, seien ihm später beim Aufbau von Skoobe zugutegekommen. Ähnliches gilt für den IT-Experten Henning Peters, dessen wichtigste Aufgabe bei Skoobe darin besteht, dass E-Books möglichst schnell und optisch ansprechend auf die unterschiedlichsten Endgeräte ausgeliefert werden – gleich ob iPhone, iPad oder Android-Smartphones und Tablets. Peters war zuvor Mitgründer und technischer Geschäftsführer der Jobbörse Absolventa. „Ohne unsere langjährigen Erfahrungen bei der Digitalisierung von Geschäftsmodellen, strategisch, inhaltlich und technisch, wäre Skoobe nicht machbar gewesen“, ist sich Christian Damke sicher. 

Als Partner für das Joint Venture konnten die Verlagsgruppe Random House und Arvato die Verlagsgruppe Holtzbrinck gewinnen. Zusammen hatten die beiden Verlagsgruppen bereits ab 2004 einen deutschen Ableger des Hörbuchportals Audible aufgebaut – er wurde 2009 an die US-Mutter Audible, Inc. verkauft. Die Kooperation mit Holtzbrinck trug unter anderem dazu bei, dass zum Skoobe-Start bereits eine Vielzahl attraktiver E-Book-Titel von unterschiedlichen Verlagen verfügbar war. Mittlerweile sind es wie erwähnt 20.000 Titel aus mehr als 400 Verlagen. „Das Interesse der Verlage an Skoobe ist groß“, so Damke. „Für sie ist die E-Book-Bibliothek ein neuer, zusätzlicher Vertriebsweg, denn sie und ihre Autoren werden je nach Nutzung ihrer Titel am Skoobe-Umsatz beteiligt.“ Darüber hinaus biete Skoobe den Verlagen einen direkten Kanal zu den Lesern und liefere ihnen wertvolle Erkenntnisse über Lese- und Einkaufsverhalten von E-Book-Nutzern. 

Nach der Konzeptphase folgten die Gründung des neuen Unternehmens im August 2010 und der Aufbau der Infrastruktur. Im Mittelpunkt steht die Skoobe-App, die den Nutzern den Zugang sowohl zu den Leseproben als auch zu den kompletten E-Books ermöglicht. Eine Betaversion mit Tausenden von Testnutzern ging im Mai 2011 an den Start. „Bald ein Jahr lang haben wir die App unter Live-Bedingungen auf Herz und Nieren getestet und dabei nicht zuletzt viele Erkenntnisse über den potenziellen Markt und das Nutzerverhalten gesammelt – schließlich war das alles Neuland, nicht nur für uns, sondern für die gesamte Buchbranche“, erklärt Damke. Zu dem Zeitpunkt hatte die Skoobe-Mannschaft auch längst ihr heutiges Großraumbüro in der Münchner Klenzestraße bezogen. 

Öffentlich zugänglich ist das Skoobe-Angebot seit Ende Februar 2012. Die Entwicklung der Plattform und der App war damit aber längst nicht abgeschlossen: So gab es allein für die Skoobe-App im ersten Jahr 16 Updates. Zum einen, um deren Tempo zu erhöhen, und zum anderen, um neue, von den   Nutzern gewünschte Features einzuführen. „Heute ist Skoobe über so ziemlich alle gängigen Typen von Smartphones und Tablet-PCs nutzbar“, betont Henning Peters, also über Appleund Android-Geräte, aber auch über das Kindle Fire-Tablet von Amazon. 

Schmökern in möglichst vielen Büchern: Skoobe-Seite auf dem iPad.
Schmökern in möglichst vielen Büchern: Skoobe-Seite auf dem iPad.
Vom Start weg erfolgreich 

Dass sich die intensive Vorbereitung gelohnt hat, zeigt die vom Start weg erfolgreiche Etablierung des Start-ups am Markt. „Die Ziele, die wir uns für das erste Jahr gesteckt hatten“, so Christian Damke, „haben wir bereits innerhalb von neun Monaten erreicht.“ Allein im ersten Jahr sei die Skoobe-App mehr als 300.000-mal heruntergeladen worden und finde sich permanent unter den Top Ten der meistgeladenen Buch-Apps sowohl bei iTunes als auch bei Google Play. „Skoobe gehört aber nicht nur zu den beliebtesten, sondern auch zu den bestbewerteten Apps“, betont Damke. Nach Ablauf des ersten Jahres brachte es die E-Book-Bibliothek auf rund 2.200 Bewertungen im iTunes Store sowie auf viereinhalb von fünf möglichen Sternen. Und jeden Monat, so Damke weiter, würde das Unternehmen mehrere Tausend neue Abonnenten hinzugewinnen, die bereit sind, wenigstens 9,99 Euro für das Basis-Abo zu bezahlen. Gewachsen ist übrigens nicht nur die Zahl der Kunden, auch das Unternehmen wurde größer. Aus dem Duo Damke/Peters wurde ein Team von heute 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. 

Doch wer sind die typischen Skoobe-Nutzer? „Das sind zunächst natürlich Vielleser, die auch mobil nicht auf ihre Bücher und eine breite Auswahl an Titeln verzichten möchten“, erklärt Christian Damke. „Leser, die mehr Wert auf schnelle Verfügbarkeit als auf die Ausstattung legen.“ Die Skoobe- Marktforschung hat mittlerweile ergeben, dass zu den Kunden aber auch neue Zielgruppen gehören, die durch das gedruckte Buch bislang nicht oder nur selten erreicht worden seien. Dies seien beispielsweise besonders technikaffine Menschen oder auch Teenager. „Und nicht zuletzt ist Skoobe eine legale Alternative für preissensible Kunden“, betont Damke. So habe sich gezeigt, dass Kunden des Unternehmens weniger häufig zu den reichlich im Netz verfügbaren, kostenlosen E-Book greifen würden. „Der meistgesuchte Begriff zum Thema ‚E-Book‘ bei Google ist nicht etwa ‚E-Book‘, es ist ‚E-Book kostenlos‘“, bringt Damke eine der großen Herausforderungen für die Buchbranche auf den Punkt. 

Auch die frühere Angst vieler Verlage vor Kannibalisierung, dass also Skoobe-Nutzer auf den Kauf gedruckter Bücher verzichten würden, habe sich nicht bestätigt. „All unsere Umfragen zeigen, dass durch Skoobe mehr gelesen wird und dass Skoobe-Kunden insgesamt mehr für Bücher ausgeben“, sagt Christian Damke. Skoobe-Nutzer würden im Schnitt fast 20 Prozent mehr für Bücher ausgeben als zuvor, und die Zeit, die sie lesend verbringen, liege sogar um durchschnittlich 42 Prozent höher. Darüber hinaus hätten 18 Prozent der Nutzer schon einmal ein bei Skoobe entdecktes Buch anschließend auch in gedruckter Form gekauft. Dies sei so, meint Damke, weil es das Start-up seinen Nutzern eben überaus einfach mache, neue Bücher zu entdecken. Diese und andere Erkenntnisse teilen die Skoobe-Experten dann beim regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen und Kollegen der englischsprachigen Random-House-Verlage. Dort wird die Entwicklung des Start-ups mit viel Aufmerksamkeit verfolgt – denn so etwas wie Skoobe gibt es bislang nicht einmal in den USA, dem am weitesten entwickelten E-Book- Markt der Welt.

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